Rede zum Setzpunktantrag der AfD zur Freiheit von Wissenschaft

Nina Eisenhardt am Redner:innenpult des Hessischen Landtags


In einem Setzpunktantrag greift die AfD zum widerholten Mal die Freiheit von Wissenschaft ab. Meine Rede als Antwort hierauf im Volltext:

Sehr geehrte Frau Präsidentin,

sehr geehrte Damen und Herren,

erinnern wir uns zurück an den ersten hochschulpolitischen Auftritt der AfD Fraktion im Hessischen Landtag im April 2019. Sie forderte die Wissenschaftsministerin auf, in ein demokratisches Wahlverfahren an einer Hochschule einzugreifen und die Autonomie der Hochschule zu verletzen. In der Rede damals wurde klar, die neue Präsidentin passte der AfD politisch nicht, man könnte sagen, sie wollten sie canceln. Ihr Versuch eine renommierte Universität und eine herausragende Wissenschaftlerin dadurch zu beschädigen, ist zum Glück nicht geglückt.

Was zeichnet seitdem die Wissenschaftspolitik der AfD aus? Streichungsanträge zum Haushalt. Jahr für Jahr will die AfD ihr politisch unliebsame Geisteswissenschaften und internationalen Austausch streichen – man könnte gar sagen canceln – und so die Freiheit von Forschung und Lehre beschneiden. Das Gleiche passiert auch im Kulturbereich.

Zur Obsession der AfD, den Gender-Studis. An der Dekonstruktion der Überlegenheit des weißen Mannes haben sie heute einen Beitrag geleistet. Ich habe 28 kleine Anfragen zum Thema gezählt! Im Februar 2020 (DS 20/1679) starten sie mit einer Anfrage zur Kooperation der Rhein-Main-Universitäten im Bereich Genderforschung. Ich habe ehrlich nicht ganz verstanden, was ihr Problem damit ist, dass Wissenschaftler:innen in Hessen, die an ähnlichen Themen arbeiten, auch zusammenarbeiten.

Bei der Anfrage drei Monate später (DS 20/2585) wollen Sie dann genau wissen, wie Gender-Studis gefördert werden und welche Professuren mit welcher Vergütung es gibt. Ich dachte mir, da fehlt nur noch, dass er nach den Namen der Professor*innen fragt. Diese Anfrage kam dann einen weiteren Monat später (20/2643).

Klar, als Abgeordneter haben sie ein Fragerecht und sie haben die Antworten ja auch bekommen. Angesichts des Hasses und der Hetze von Rechts, der Genderforschende ausgesetzt sind, angesichts rechter Blogs auf denen Forschende verunglimpft werden, ist allerdings zu befürchten, dass es sich bei Ihrer Frage nicht um ein Erkenntnisinteresse für ihre Arbeit als Abgeordneter handelt, sondern um Outing von Personen, die ihnen politisch nicht passen.

Ihr Interesse am Outing von „linken“ Personen statt am Schutz von Wissenschaftsfreiheit und offenem Diskurs wird auch in weiteren Anfragen deutlich. Sie fragen mehrfach ob Personen, die sich an Hochschulen politisch engagieren, namentlich bekannt sind (DS 20/556 und 20/2086). Es mag nicht ihre politische Haltung sein, doch es ist unsere, dass Hochschulleitungen keine Listen über Studierende und ihre politische Gesinnung führen.

Wissenschaftsfreiheit zu akzeptieren, fällt der AfD Fraktion schwer.

  • Sie fragen danach ob die Landesregierung Prüfungsinhalte von Studierenden politisch prüft (20/4987)!
  • Sie fragen danach wie die Landesregierung „wissenschaftliche Signifikanz“ von einzelnen Disziplinen und Forschungsergebnissen bewertet (20/2585)!
  • Sie greifen eine Professorin für einen Artikel in einem Uni Journal an (20/1525)!
  • Sie wollen Prüfungsinhalte zur Politischen Bildung im Lehramt politisch regulieren (20/1538)

Ihre Anfragen lassen dabei offen, welche politischen Konsequenzen sie ziehen würden, wenn sie an der Regierung wären. Doch dafür braucht es nicht viel Fantasie.

Ja, wir brauchen an den Hochschulen einen Diskurs darüber, ob unser Wissenschaftssystem vielfältige Meinungen und Forschungsrichtung fördert. Es ist ein wissenschaftliches Grundprinzip, dass jede wissenschaftlich begründete Position erstmal akzeptiert wird. Denn nur durch unterschiedliche Ansätze kann sich Wissen entwickeln. Beispielsweise in der Medizin, in den Wirtschaftswissenschaften, in den Rechtswissenschaften vernehme ich einen Diskurs aus den und in den Disziplinen, dass ihnen diese Pluralität manchmal fehlt. Auch über finanzielle Abhängigkeiten müssen wir sprechen.

Ja, wir müssen auch darüber sprechen, wie wir in unserer Gesellschaft, die Wissenschaft eingeschlossen, um Wahrheiten ringen. Wie wir einen gesellschaftlichen Diskurs auf Basis von Fakten führen können, der die Menschen mitnimmt und die Gesellschaft zusammenhält.

Doch die AfD hat sich für diesen Diskurs disqualifiziert. Denn er muss auf dem Boden unserer Verfassung und unter Wahrung der von ihr gewährten Wissenschaftsfreiheit stattfinden. Und auf diesem Boden steht die AfD nicht.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.