Die Einigung von Bund und allen 16 Bundesländern für eine gemeinsame dauerhafte und stufenweise ansteigende Finanzierung der Hochschulen ist ein großer Schritt. Deshalb haben wir Grüne dazu einen Setzpunkt im Plenum gemacht. Denn gleichzeitig haben auch die Verhandlungen über einen hessischen Hochschulpakt begonnen. Was unsere Grünen Ziele dabei sind, habe ich in meiner Rede angeschaut.
Sehr geehrter Herr Präsident,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
mit dem Bund-Länder Pakten und dem Hessischen Hochschulpakt stellen wir die Weichen für die Zukunft unserer Hochschulen. Aber auch für die Zukunft unserer Gesellschaft. Denn wir brauchen ein funktionierendes Wissenschaftssystem mit starken Hochschulen, um Antworten auf die Herausforderungen unserer Zeit zu geben.
Immer mehr junge Menschen entscheiden sich für eine akademische Ausbildung und auch die Wirtschaft und das Gemeinwesen fordern akademische Abschlüsse. Die Zahl der Studierenden ist in den vergangenen Jahrzehnten stark gestiegen, seit 2011 befinden wir uns auf einem Hochplateau von jährlich einer halben Million Studienanfängerinnen und -anfängern in Deutschland. In Hessen setzen wir mit über 44.000 Studienanfängerinnen und -anfängern letztes Jahr die offene Hochschule um.
Dabei ist mir wichtig: wir machen uns stark, dass berufliche und akademische Abschlüsse in der Gesellschaft als gleichwertig angesehen werden. Neben der steigenden Bedeutung der akademischen Ausbildung ist darum auch die Durchlässigkeit unseres Bildungssystems wichtig. Im Zentrum stehen immer die jungen Menschen und ihre Möglichkeit, ihre Chancen bestmöglich zu nutzen. Deshalb ist die Aufgabe der Finanzierung der Hochschulen zum einen, eine dauerhaft große Zahl an Studierenden zu bilden, aber auch eine hohe Qualität zu gewährleisten.
Das ist eine Herausforderung, die wir annehmen, und auf die wir im Koalitionsvertrag die richtigen Antworten geben.
Der Leitgedanke der Hochschulpakte ist eine dauerhafte und steigende Finanzierung sicherzustellen. Wir haben uns erfolgreich dafür stark gemacht, dass die Pakte im Bund verstetigt werden und der Bund seine Mittel erhöht. Dies ist ein großer Gewinn für die Hochschulen und war leider keine Selbstverständlichkeit.
Als Land unternehmen wir ebenfalls größte Anstrengungen, um die Finanzierung der Hochschulen zu verbessern und haben im Koalitionsvertrag die Dynamisierung um vier Prozent jährlich vereinbart. Das schafft gemeinsam mit der Einführung eines Sockelbetrags Verlässlichkeit für die Hochschulen. Diese Verlässlichkeit wird sich positiv auf die Betreuungsrelation und die Beschäftigungsbedingungen auswirken. Denn das sind die beiden politischen Ziele, die wir im Koalitionsvertrag vereinbart haben und verfolgen.
Die Zahl von Professuren und Dozierenden zu Studierenden ist ein wichtiger Indikator für die Qualität der Lehre, denn sie bestimmt die Größe von Seminaren und Vorlesungen und damit auch die Möglichkeiten zur individuelle Förderung. Durch die schnell wachsende Zahl an Studierenden ist die Zahl der Lehrenden nicht in der selben Geschwindigkeit gestiegen – genauso wie die räumlichen Kapazitäten. Eine Betreuung für die Abschlussarbeit zu finden wurde schwieriger, genauso wie ein Platz im Hörsaal. Damit dies nicht so bleibt, haben wir mit dem aktuellen Nachtragshaushalt für die Folgejahre 129 Professuren zusätzlich möglich gemacht. Um die Betreuung der Studierenden zu verbessern, werden wir zusätzlich 300 neue Professuren schaffen und nehmen dafür auch nochmal Mittel in die Hand.
Ganz besonders sind von den Herausforderungen auch die Hochschulen für angewandte Wissenschaften betroffen, denn sie leisten aufgrund der Biografien ihrer Studierenden besonders viel für Integration und Chancengleichheit. Auch hierauf wird unser Augenmerk bei den Hochschulpaktverhandlungen liegen.
Wie bereits gesagt, ist die Betreuungsrelation nur ein Faktor für die Qualität der Lehre. Wir müssen an unseren Hochschulen auch digitale, forschungsnahe, interdisziplinäre Lehre stärken. Und Hochschule besteht nicht nur aus Laborpraktika und Klausuren. Deshalb braucht es auch die richtigen Rahmenbedingen an Beratungsangeboten: Ob Anlaufstellen bei Fragen für den Auslandsaufenthalt, studieren mit Kind oder bei Diskriminierungserfahrungen. Auch diese Qualität verlieren wir neben der Betreuungsrelation nicht aus dem Blick. Denn für uns GRÜNE sind Forschung und Lehre an den Universitäten gleichwertig, und mit gute Studienbedingungen an allen Hochschulen leisten wir unseren Beitrag für die Perspektiven junger Menschen.
Doch all dies kann eine Hochschule nur leisten, wenn die Mitarbeitenden auch faire Arbeitsbedingungen haben. Wir wollen die Zahl der befristeten Beschäftigungsverhältnisse reduzieren. Unser Ziel ist, dass es für Daueraufgaben auch Dauerstellen gibt. Auch Aufgaben im Bereich Internationalisierung, Familienförderung und Gleichstellung sind Daueraufgaben und zwar genauso wie Studiensekretariate oder Bibliotheken. Diese Stellen dürfen keine Projektstellen sein, auf denen sich die Beschäftigten mit Befristungen von Antragstellung zu Evaluation hangeln.
Die befristete Beschäftigung auf Qualifikationsstellen hat einen Zweck, doch diesem muss sie auch gerecht werden: Die Ermöglichung einer Qualifizierung. Das bedeutet, dass die Befristung sich an dem Zeitraum der Qualifikation orientieren muss und einen Umfang hat, der die Arbeit an der Qualifikation zulässt. Es ist doch allen klar, dass es nicht möglich ist, auf einer Promotionsstelle mit 35% zu forschen, in Projekten mitzuarbeiten, Lehre zu konzipieren und durchzuführen und dabei noch zu promovieren. Diese Bedingungen in der Promotion sind übrigens auch ein Grund dafür, dass das die Phase ist, in der sich Frauen aus einer wissenschaftlichen Karriere verabschieden, da sie keine Sicherheit für Lebens- und Familienplanung bietet.
Studentische Hilfskräfte leisten sowohl in Lehre als auch Forschung viel, ohne sie wären Tutorien und die Arbeit mit großen Datenmengen oft nicht vorstellbar. Deshalb arbeiten wir – wie im Koalitionsvertrag vereinbart – an einem Weg, ihre Arbeitsverhältnisse ähnlich dem Tarifvertrag zu regeln.
Mit großer Freude habe ich letzten Freitag die Unterzeichnung der „Grundsätze zur Beschäftigung des wissenschaftlichen Personals unterhalb der Professur“ durch die Hochschulen für angewandte Wissenschaften vernommen. Gemeinsam mit den Selbstverpflichtungen für wissenschaftlichen Nachwuchs, die die Universitäten bereits haben und den Personalentwicklungskonzepten aller Hochschulen, ist dies ein weiterer wichtiger Schritt und die Grundlage für einen „Kodex für gute Arbeit“, der gemeinsam mit den Hochschulen erarbeitet werden soll.
Unser GRÜNES Ziel ist es, dass der „Kodex für gute Arbeit“ für alle Beschäftigten – von der studentischen Tutorin, über den Doktoranden bis hin zur Angestellten in der IT –sichere und faire Arbeitsbedingungen schafft.
Faire Beschäftigungsverhältnisse und ein starker akademischer Mittelbau bieten nicht zuletzt auch die Grundlagen für herausragende Forschung. Zusätzlich zum Hochschulpakt wollen wir die Mittel für die hessische Forschungsförderung erhöhen und inhaltlich weiterentwickeln. Im Fokus der Weiterentwicklung steht die Stärkung von Kooperation zwischen den Hochschulen und mit außeruniversitären Forschungseinrichtungen.
Letzte Woche am Rande der Feier des HMWK für die hessischen ERC Grantees habe ich mich mit ProfessorRezzolla von der Goethe Universität unterhalten. Als Astrophysiker ist er einer der Köpfe hinter dem Foto des Schwarzen Lochs. Eine riesige Forschungsleistung. Und ich freue mich, dass wir an der Goethe-Universität dafür die richtigen Rahmenbedingen liefern können. Doch möglich wurde das nur durch öffentliche Forschungsmittel, hier der Europäischen Union. Denn erst die Förderung durch den Europäischen Forschungsrat (ERC) hat es der Gruppe ermöglicht, mit ihrer Forschung zu beginnen und weitere Forschungsgelder zu akquirieren. Die Geschichte hinter dem ersten Foto eines schwarzen Lochs können Sie als weiteren guten Grund nehmen, nächsten Sonntag ihr Kreuzchen für Europa zu machen. Ich nehme sie aber auch zum Anlass, deutlich zu machen, dass für Grundlagenforschung, die am Anfang einer jeden technischen Innovation steht, freie und zugängliche staatliche Forschungsförderung unerlässlich ist.
Zu diesen Zielen stehen auch Bund und Länder mit dem Anfang des Monats geschlossenen Pakten. Auch wenn ich mir mehr Geld im Qualitätspakt Lehre gewünscht hätte, ist besonders die langfristige Perspektive ein großer Gewinn für unsere Hochschulen. Unter diesen Vorzeichen haben dann auch die Verhandlungen um den hessischen Hochschulpakt begonnen. In meinen Gesprächen in den Hochschulen in den letzten Wochen habe ich bereits mitgenommen, dass die Erwartungen und Hoffnungen groß sind. Dem wollen wir gerecht werden.
Unser Versprechen an die Studierenden, Forschenden und Lehrenden ist, mit den Pakten das Betreuungsverhältnis und die Beschäftigungsverhältnisse an unseren Hochschulen zu verbessern.
Ich wünsche den hessischen Hochschulen gemeinsam mit Ministerin Angela Dorn und Staatssekretärin Ayse Asar gute Verhandlungen und viel Erfolg dabei, die Herausforderungen von guter Lehre, fairer Beschäftigung und starker Forschung zusammen zu bringen.
Vielen Dank.