„Ohne Natur ist alles nichts!“ Unter dieser Überschrift stand der naturschutzpolitische Nachmittag, zu dem die Grünen-Direktkandidatin zur Bundestagswahl für den Kreis Groß-Gerau, Nina Eisenhardt, und die Grünen-Landtagsabgeordneten Ursula Hammann am Mittwoch (23.08.) in das Hofgut Guntershausen auf dem Kühkopf eingeladen hatten.
Beide unterstrichen an diesem Nachmittag eindringlich, warum die Naturschutzpolitik eines der Politikfelder sein müsse, dem auch auf Bundesebene und darüber hinaus dauerhaft oberste Priorität einzuräumen sei. Beide betonten mit Blick auf die Bundestagswahl am 24. September, dass es nicht zuletzt deshalb höchste Zeit sei, dass es endlich auch auf Bundesebene wieder eine Regierungsbeteiligung der Grünen gebe.
„Ich frage mich, warum eigentlich immer nur wir Grünen Konzepte für diese wesentlichen Aufgaben ausarbeiten und als Regierungsfraktion auch umzusetzen, während bei den anderen Parteien diesbezüglich Fehlanzeige ist?“ verband Nina Eisenhardt das Ziel einer erneuten Grünen-Regierungsbeteiligung im Bund mit Kritik an der politischen Konkurrenz – und verwies beispielhaft auf die Konzepte ihrer Partei zur Mobilitäts-, Agrar- und Energiewende.
Welche natürlichen Kostbarkeiten es alleine schon rund um den Veranstaltungsort im Europareservat Kühkopf-Knoblochsaue zu bewahren gilt, zeigte die Führung der beiden Politikerinnen und ihrer Gäste durch das „Umweltbildungszentrum Schatzinsel Kühkopf“ auf dem Hofgut, mit dem der naturschutzpolitische Nachmittag begann. Vorgestellt wurde das Umweltbildungszentrum durch den „Hausherrn“, Förster Ralph Baumgärtel, der sich anschließend über allseitiges Lob der Gruppe für das Zentrum freuen konnte.
Wie gewichtig und drängend die naturschutzpolitischen Aufgaben in ganz Hessen inzwischen sind, und wie sie von der Landesregierung mit Grünen-Beteiligung angegangen werden, darüber informierte anschließend Ursula Hammann. So seien von den 217 Brutvogelarten in Hessen laut Roter Liste inzwischen 24 Arten ausgestoben, 36 Arten vom Aussterben stark bedroht, sechs weitere stark gefährdet und 16 Brutvogelarten gefährdet. Bei weiteren 23 sei eine Gefährdung wahrscheinlich. Und selbst die Feldlerche, die Stockente, der Feld- und der Haussperling stünden inzwischen auf der Vorwarnliste. „Das sind keine guten Signale“, fasst Ursula Hammann die Situation zusammen, die dem Umweltausschusses des Hessischen Landtags vorsitzt. Vom Aussterben bedroht seien ebenso der Laubfrosch und der Kiebitz, stark gefährdet seien das Rebhuhn, die Wildkatze und zum Beispiel die Bechstein-Fledermaus. Als gefährdet stufe die Rote Liste inzwischen selbst den Feldhamster und den Feldhasen ein. Auch die Artenvielfalt der in Hessen heimischen Pflanzen stehe unter starkem Druck, genauso wie die Pflanzen bestäubenden Insekten. So seien alleine 40 Prozent der wild lebenden Bienenarten Hessens gefährdet. Angesichts der Tatsache, dass 80 Prozent der Pflanzen in Feld und Flur auf Bestäubung durch Insekten angewiesen seien, gehe es in dem Zusammenhang nicht nur um Schutz und Erhalt der bedrohten Arten und einer möglichst breiten Artenvielfalt. Sondern auch ganz konkret um das Wohlergehen der Menschen. „Denn der Verlust an Bestäubern hat unmittelbare Konsequenzen für die Nahrungsmittelproduktion“, betonte Ursula Hammann mit Blick auf den Obstanbau.
Mit der Weiterentwicklung der Hessischen Biodiversitätsstrategie und dem inzwischen um naturschützerische Aufgabenbereiche erweiterten Hessischen Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG) stelle sich die schwarz-grüne Landesregierung diesen drängenden Problematiken. Ebenso mit der inzwischen vollzogenen Novellierung der Hessischen Jagdverordnung, um mehr Tierschutz auch bei der Jagd durchzusetzen. Sowie mit der im Vorjahr gestarteten hessischen Umwelt-Lotterie. Dazu gehörten weiter Maßnahmen zur Steigerung des in Hessen betriebenen Ökologischen Landbaus. Und zwar mit Erfolg: So sei der Anteil der Ökoanbauflächen seit 2013 um 16800 Hektar auf rund 95000 Hektar angewachsen und Hessen mit einem daraus resultierenden Öko-Anteil von 12,5 Prozent an seinen landwirtschaftlichen Gesamtfläche hier nun Spitzenreiter im Vergleich mit den anderen 15 Bundesländern.
Zu den auf Initiative der Grünen in Hessen noch realisierten naturschutzpolitischen Maßnahmen zählten das Verbot einer Nutzung des umstrittenen Pflanzenschutzgiftes Glyphosat auf landeseigenen Flächen, die Förderung von Blumen und Blühstreifen und die mit dem Hessischem Bauernverband, dem Verband Ökologischer Landbau, dem Landesverband Hessischer Imker und dem Hessischen Gartenbauverband aufgelegte Kampagne für ein bienenfreundliches Hessen. Auch die FSC-Zertifizierung des Staatswaldes des Landes und ein gestärkter Bannwaldschutz gehörten dazu. Sowie die ganz wichtige Reduzierung des Flächenverbrauchs in Hessen bis 2025 auf 2,5 Hektar pro Tag, der nach 2025 noch weiter abgesenkt werden müsse. Weiter gestärkt werden solle der Naturschutz in Hessen außerdem durch das Schaffen von Biotopverbünden mittels Anlage von Grünbrücken und Querungshilfen für die Tiere sowie durch das Gründen von Landschaftspflegeverbänden. Und durch die Stärkung der Bereitschaft, auch in Hessens Städten mehr Wildnis zu wagen – zum Beispiel durch das Anlegen von mehr Wildblumenwiesen statt englischen Rasens.
Die Grünen-Direktkandidatin Nina Eisenhardt stellte das unersetzliche Lebensmittel Wasser in den Mittelpunkt ihrer Betrachtungen. Sie ließ Schlagzeilen aus jüngster Zeit Revue passieren, wonach der Rhein, der das Leben und die Auenlandschaft des Europareservats Kühkopf-Koblochsaue dominiert, in den vergangenen fünf Jahren die höchste Belastung durch Phosphat aufweise und jährlich eine Fracht von zehn Tonnen Kleinstplastik ins Meer trage. Auch die Quecksilber-Grenzwerte des Rheins würden immer wieder überschritten. Problematisch sei auch die Nitrat-Belastung des Trinkwassers aufgrund der Einträge durch die Landwirtschaft. Dass dem Schutz des Rheinwassers viel zu lange zu wenig Wert beigemessen worden sei, ergebe sich auch beim Blick auf seine Landschaften, die Begradigungen für Schifffahrt, Industrie und Kraftwerke hinterließen ihre Spuren.
Auch insgesamt in Deutschland gebe die Wasserqualität – in den Fließgewässern wie in den Seen – Anlass zu großer Sorge. Nur neun Prozent der Fließgewässer seinen qualitätsmäßig derzeit in einem sehr guten Zustand. Schlimmer noch: Die Verantwortlichen hätten längst eingestanden, dass das für das Jahr 2027 gesetzte Ziel, alle Gewässer in Deutschland in einen guten bis sehr guten Zustand zu versetzen, nicht mehr zu erreichen sei.
Weltweit werde sauberes Wasser ebenfalls immer knapper. 1,8 Milliarden Menschen würden im Jahr 2025, so Nina Eisenhardt, keinen Zugang zu sauberem Wasser haben, jetzt ist es bereits 1 Milliarde. Gründe dafür seien Verschmutzung und Übernutzung, aber auch die Folge des Klimawandels, der aufgrund von höheren Temperaturen und mehr Niederschlägen die Wasserqualität zusätzlich belaste. Ein solcher Mangel an sauberem Wasser sei für die Betroffenen lebensbedrohlich und hoch-explosiver sozialer Konfliktstoff zugleich. Während sich in den Meeren bald mehr Plastik als maritimes Leben finden lasse.
Lösungen böten laut der Grünen-Direktkandidatin für den Kreis Groß-Gerau die konsequente Reduzierung der Belastungen des Wassers, wie sie die Bundestagsfraktion ihrer Partei fordere; die Bekämpfung des Klimawandels und der Ansatz, dem Wasser als Lebensraum seinen Lauf zu lassen. Dabei sei es dringend geboten, die Wasserqualität nicht nur national, sondern weltweit zu sichern – und dem entsprechend auch bei der Entwicklungszusammenarbeit zu fördern. Bislang komme das Thema Wasser nach Meinung von Nina Eisenhardt politisch aber durchweg viel zu kurz. Das müsse sich schleunigst ändern. „Denn ohne Wasser ist alles nichts“, warnte die Organisatorische Geschäftsführerin der Grünen Jugend Hessen bei dem naturschutzpolitischen Nachmittag auf dem Kühkopf.