Haushaltsdebatte: Wissenschaft und Kultur werden weiter gestärkt

Nina Eisenhardt am Redner:innenpult des Hessischen Landtags
Nina Eisenhardt am Redner:innenpult des Hessischen Landtags

In der Haushaltsdebatte des hessischen Landtags vom 09.12.2020 betont Nina Eisenhardt die Relevanz von Kultur und Wissenschaft. Im Haushalt 2021 werden entsprechende Einrichtungen daher gestärkt werden.


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Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Kollege Grobe, wie wir heute der „hessenschau“ entnehmen konnten, ist Ihr Ranking zum Glück seit der letzten Landtagswahl um 5 Prozentpunkte heruntergegangen.

Liebe Demokratinnen und Demokraten im Haus, ohne Kultur bleibt es still. Ohne Wissenschaft fehlen uns wichtige Antworten. Die Pandemie führt uns vor Augen, was wir an Kultur und Wissenschaft haben und wie wichtig starke, vielfältige und unabhängige Kultur, Bildung und Forschung für unsere Gesellschaft sind.

Eine gemeinsame Herausforderung in nahezu allen politischen und gesellschaftlichen Bereichen, die Corona verdeutlicht hat, ist die Digitalisierung. Die von uns geplanten Initiativen – Digitalpakt Hoch- schule und die Digitalstrategie für den Mandanten historisches Erbe – kamen daher genau zur richtigen Zeit. Beide Strategien haben drei Dinge gemeinsam. Sie setzen auf Kooperation und Synergien. Sie etablieren Governance-Strukturen für die Steuerung von Digitalisierung, und sie sind langfristige Strategien, die sowohl strukturelle Defizite in den Blick nehmen als auch Innovationen fördern. Damit sind unsere Einrichtungen gerüstet für die Zukunft.

Die Kulturschaffenden sind von den Einschränkungen durch die Pandemie hart getroffen. Mit unserem ersten Kulturpaket über 50 Millionen € haben wir sofort und punktgenau geholfen. Die erneuten Schließungen sind ein großer Rückschlag. Jetzt gilt es, an die Hilfen des Bundes angepasst unsere Instrumente weiterzuentwickeln und die vielfältige Kultur in Hessen zu erhalten. Ich bin überzeugt, dass wir aus der Krise auch für die Kultur und für die Kulturförderung lernen können. Unsere Kulturpolitik will die hessische Kulturlandschaft in ihrer Breite fördern und die soziale Situation von Künstlern nachhaltig verbessern. Mit diesem Haushalt fördern wir somit auch die Resilienz der Kulturlandschaft.

Wir stärken die Kultur in Hessen in ihrer Breite, indem wir die Förderung für soziokulturelle Zentren weiter erhöhen. Ebenso stärken wir die regionale Kulturförderung im ländlichen Raum und investieren mehr in kulturelle Bildung. Der Stärkung der soziokulturellen Zentren widmen wir uns seit Jahren. Seitdem wir an der Regierung beteiligt sind, haben wir die Mittel verdreifacht. Kulturelle Zentren bieten überall in Hessen, gerade auch im ländlichen Raum, ein Kulturprogramm über alle Genres hinweg und ermöglichen vielen Menschen die Teilhabe am kulturellen Leben.

Wir wollen die soziale Situation von Künstlern verbessern. Wir haben bei unseren eigenen Häusern angefangen. Wir haben an den drei Staatstheatern, am Landestheater Marburg und am Stadttheater Gießen eine hessische Mindestgage eingeführt. Dieser Schritt ist auf eine große Zustimmung gestoßen. Wir setzen diesen Weg fort und passen nun für eine Entlohnungsgerechtigkeit das Gagengefüge in gemeinsamer Verantwortung mit den kommunalen Partnern in den Sitzstädten an.

Um die Situation von Künstlerinnen und Künstlern und des Kulturbetriebs insgesamt zu verbessern und ihre Sichtbarkeit zu erhöhen, stellen wir gesonderte Fördermittel für Frauen in Kunst und Kultur zur Verfügung.

Ebenfalls prekär ist die Raumsituation für Künstler. Es fehlt an bezahlbaren Ateliers und Werkstätten in Stadt und Land. Im vergangenen Jahr haben wir deshalb das Atelierprogramm gestartet, dessen Volumen wir in diesem Jahr weiter erhöhen.

Beim Ausbau der hessischen Filmförderung setzen wir in zweierlei Hinsicht auf Nachhaltigkeit. Zum einen investieren wir verstärkt in die Nachwuchsförderung in der Filmbranche. Zum anderen fördern wir nachhaltige Produktionen unter dem Gütesiegel „Grüner Drehpass“. Damit stärken wir Hessen als attraktiven Standort für die Zukunft.

Um die Vergangenheit geht es bei der Provenienzforschung zu NS-Raubgut und der Rückgabe von entwendetem Kulturgut aus der Kolonialgeschichte Deutschlands. Die Übernahme dieser historischen Verantwortung ist uns wichtig. Bereits im vergangenen Haushalt haben wir die Mittel erhöht und wollen dies im Jahr 2021 weiter tun. Es bleibt ein langer Prozess; denn die Aufarbeitung der Herkunft und Geschichte von Kulturgütern ist aufwendig.

Unserer historischen und gesellschaftlichen Verantwortung wollen wir auch mit einem neuen Programm nachkommen. Wie im Koalitionsvertrag vereinbart, wollen wir einen Fonds „sicherer Hafen“ schaffen, der Künstler, Journalisten, Autoren, Menschenrechtsaktivisten und Wissenschaftler im Exil unterstützt. Wir wollen auf den erfolgreichen Hessen-Fonds für geflüchtete Studierende und Wissenschaftler aufbauen und in Hessen aktive Organisationen für Menschen im Exil unterstützen. Das ist genau das Gegenteil von dem, was die AfD will, und allein deshalb eine gute Initiative.

Die Pandemie trifft auch die Mitglieder der Hochschulen. Das Engagement, das alle aufbringen zur Bewältigung der Auswirkungen der Pandemie, lässt sich nicht kompensieren. Um es konkret zu sa- gen: Die Lehrverpflichtung eines Lehrenden, der ein Laborpraktikum unter Hygieneauflagen acht- statt zweimal durchführen muss, ist dieselbe geblieben. Auch die Mitarbeitenden in der Verwaltung, die die organisatorischen und technischen Herausforderungen meistern, bringen einen großen Einsatz.

40 % der Studierenden haben von heute auf morgen ihren Job verloren. Besonders hart trifft es internationale Studierende. Die Hilfen der Bundesregierung kamen zu spät und fallen zu gering aus. Dabei zeigt sich ein größeres Problem: Für den Großteil der Lehrenden gibt es kein soziales Netz; denn weniger als 25 % der Studierenden sind theoretisch BAföG-berechtigt. Nur noch 11 % der Studierenden beziehen BAföG. Es braucht dringend eine grundlegende Reform des BaföG.

Ohne eine Studienfinanzierung des Bundes, die auch die unterschiedlichen Lebensrealitäten von Studierenden berücksichtigt, können unsere hessischen Programme für mehr Bildungsgerechtigkeit leider immer nur bedingt ihre Wirkung entfalten. Wir halten natürlich trotzdem an diesen Programmen fest. Mit diesem Haushalt startet der neue Hochschulpakt. Das bedeutet ein Plus von über 72 Millionen € im nächsten Jahr für unsere Hochschulen. Wir steigern das Budget jährlich um 4 %.

Mit dem Hochschulpakt werden prioritär zwei Ziele verfolgt, nämlich die Verbesserung der Beschäftigungsverhältnisse sowie die Steigerung der Betreuungsrelation und Qualität in der Lehre. Deshalb starten wir im Haushaltsjahr 2021 mit der Einrichtung der ersten 60 von 300 W-Professuren auf dem Weg zu einer besseren Betreuungsrelation.

Im Hochschulpakt und in den Hochschulhaushalten steckt mehr als Forschungsinfrastruktur und curricularer Lehrbetrieb. Im Studium bieten die Hochschulen einer immer diverser werdenden Studierendenschaft Chancen auf ein erfolgreiches Studium über Vorkurse, Orientierungsstudium, Beratung, Tutoren- und Mentorenprogramme, fachliche Unterstützung wie Schreibzentren, interdisziplinäre Angebote, duale Studiengänge, Frauenförderung, Teilzeitmöglichkeiten und vieles mehr. Diese Programme fördern wir mit dem Pakt gezielt, weil sie für Bildungsgerechtigkeit unerlässlich sind.

Ganz wesentlich zur Bildungsgerechtigkeit tragen auch die hessischen Studierendenwerke bei. Im vergangenen Jahr haben wir ihre Förderung zum vierten Mal seit grüner Regierungsbeteiligung um 1 Million € erhöht. Im Jahr 2021 sollen sie noch einmal einen Aufwuchs um 300.000 € für steigende Beratungs- und Betreuungsbedarfe erhalten.

Die Pandemie hat auch die Studierendenwerke hart getroffen durch Einnahmeausfälle bei Wohnheimen und Mensen. Deshalb unterstützen wir sie im Jahr 2021 mit 1,5 Millionen € aus dem Sondervermögen.

Welchen Mehrwert Forschung und Wissenschaft für unsere Gesellschaft haben, zeigt nicht zuletzt auch die Bekämpfung der Pandemie. Ich freue mich, dass sich zwei der in der vergangenen Woche ausgelobten LOEWE-Schwerpunkte der Bekämpfung von Krankheiten widmen und Hessens Forschungsprofil im Bereich Lifescience und Medizin weiter stärken. Mit dem Haushalt 2021 erhöhen wir die LOEWE-Mittel weiter. Unser Ziel ist es, bis Ende dieser Legislaturperiode die Mittel von 60 Millionen € auf 100 Millionen € jährlich zu steigern.

Auch die außeruniversitäre Forschung wird mit diesem Haushalt gestärkt. Die beiden großen investiven Schwerpunkte, neben den Baukostensteigerungen, passen zu den Herausforderungen unserer Zeit. Hierzu zählt die Erforschung neuer Arzneimittel im Fraunhofer-Institut für Translationale Medizin und Pharmakologie und im Max-Planck-Zentrum. Das ist Forschung für die Zukunft von Hessen.

Ich möchte meine Rede beenden mit einem Dank an alle Kulturschaffenden, die in dieser Zeit neue und oft unwegsame Wege für Kultur beschreiten, und an alle Mitglieder der Hochschulen und Forschungseinrichtungen, die den Laden am Laufen halten. Wir danken Ihnen. – Vielen Dank.